So hatte sich Saudi-Arabien das wahrscheinlich nicht vorgestellt. Beim Treffen der OPEC und ihrer Partner am Wochenende hatte das Königreich verkündet, im Juli freiwillig eine Millionen Barrel Öl pro Tag weniger zu produzieren, um den Ölmarkt auszugleichen. Dieser reagiert allerdings mit überraschender Gleichgültigkeit auf die bevorstehende Angebotsreduktion.

 

Offizielle OPEC+ Förderkürzungen bleiben unverändert
Es war das erste offizielle Treffen der 23 erdölproduzierenden Länder, die gemeinsam die OPEC+ bilden, nach einem halben Jahr und es gab offenbar eine Menge zu besprechen. Ganze sieben Stunden dauerten die Gespräche, die hinter verschlossenen Türen in der OPEC-Zentrale in Wien stattfanden. Danach gab es zwei entscheidende Punkte zu verkünden.

 

Der erste kam nicht unerwartet: Die OPEC+ behält ihre bestehenden Förderkürzungen von aktuell 3,6 Mio. B/T unverändert bei und plant, sie sogar bis Ende 2024 fortzusetzen. Einzig die Quotenverteilung, also die Mengen der Kürzungen für die einzelnen Länder, die an ihren Produktionskapazitäten gemessen wird, wurde ab dem kommenden Jahr angepasst.

 

Alleingang Saudi-Arabiens: Umfangreiche Zusatzkürzungen im Juli
Überraschend kam hingegen der zweite Punkt: Saudi-Arabien, der größte Produzent innerhalb der Kern-OPEC und einer der wichtigsten globalen Versorger, wird im Juli zusätzlich zu seinen ohnehin schon bestehenden Quoten und freiwilligen Zusatzkürzungen noch einmal eine Förderreduktion von einer Millionen Barrel pro Tag umsetzen. Die Gesamtfördermenge des Landes sinkt damit auf den niedrigsten Stand seit dem coronabedingten Nachfrageeinbruch 2020.

 

Mit einer solchen Verknappung kann Saudi-Arabien im Alleingang großen Einfluss auf den Ölmarkt nehmen die Preise in die Höhe treiben. Dies ist durchaus in Riads Interesse, da der Staatshaushalt stark auf den Einnahmen aus den Ölverkäufen abhängt. Schätzungen zufolge benötigt das Königreich am Golf für einen ausgeglichenen Etat einen Ölpreis von etwa 80 Dollar. Aktuell kostet Öl an der Londoner Börse etwa 75 Dollar.

 

Und zunächst schien der Plan auch aufzugehen. Zum Börsenstart am Montag schossen die globalen Ölpreise erst einmal in die Höhe. Allerdings dauerte es nicht lang und schon nach kurzer Zeit war ein Großteil des Preisanstieges wieder ausgeglichen. Bis zur Wochenmitte sind die börsengehandelten Rohölpreise nun wieder zurück auf dem Niveau von Freitag, vor der OPEC+ Sitzung.

 

Ölmarkt rechnet mit Nachfragerückgang – Angebotsdefizit verliert Wirkung
Unter den Marktteilnehmerinnen und -teilnehmern herrscht die Überzeugung, dass die Nachfrage aufgrund der schlechten globalen Konjunkturstimmung und drohender oder schon stattfindender Rezessionen ohnehin schwach ist und bleiben wird. So würde eine Angebotsverknappung durch die saudischen Kürzungen kaum ins Gewicht fallen, weshalb die Ölpreise nicht nachhaltig gestiegen sind.

 

Stärker gefallen sind sie allerdings auch nicht, und das dürfte aus Sicht Saudi-Arabiens durchaus ein Erfolg sein. Denn auf Jahressicht betrachtet befinden sich die börsengehandelten Rohölpreise in einem klaren Abwärtstrend und haben seit Januar etwa 12 Prozent verloren. Dies ist auch der Grund, weshalb die OPEC+ überhaupt aktuell so starke Kürzungen vornimmt.

 

Preisrückgang seit Jahresanfang scheint aufgehalten 
Mit der saudischen Zusatzkürzung, die nach Angabe des Königreiches flexibel monatlich verlängert werden könnte, untermauert der OPEC-Produzent diesen ohnehin schon starken Eingriff in den Ölmarkt. Auch, wenn ein nachhaltiger Preisanstieg dadurch nicht ausgelöst wurde, scheint doch eine Art Bodenbildung bei 75 Dollar gewährleistet zu sein – der Abwärtstrend der Ölpreise scheint zumindest erst einmal gestoppt.