„Saudi-Arabien und Russland verknappen Ölangebot weiter“. So oder so ähnlich lauten seit Wochen und Monaten die Schlagzeilen der Nachrichtenagenturen. Als Mitglieder des Ölkartells OPEC+ haben die beiden zweit- und drittgrößten Erdölförderer der Welt eigentlich nur einen dominanten Gegenspieler: Die Vereinigten Staaten von Amerika.
Fracking brachte die USA an die Spitze
Den Titel „Weltgrößter Ölproduzent“ haben die USA allerdings erst seit dem Jahr 2018 inne. Vor diesem Zeitpunkt belief sich die US-Ölproduktion auf weniger als 10 Millionen Barrel (a 159 Liter) pro Tag. In diesem Jahr sollen gut 12,8 Millionen Barrel pro Tag gefördert werden. Diese Steigerung haben die USA vor allem der umstrittenen Fördertechnik Fracking zu verdanken, die Ölvorkommen aus undurchlässigem Schiefergestein ans Tageslicht befördert. Mittlerweile stammen 60 Prozent der amerikanischen Erdölproduktion aus Schieferölfeldern.
Schieferölproduktion hat Zenit überschritten
Jüngsten Berichten zufolge könnten die US-Ölindustrie in diesem Bereich ihren Zenit nun überschritten haben. Wie das weltweit führende Datenanalyseunternehmen im Energiebereich Enverus gestern bekanntgab, habe sich die durchschnittliche Schieferölförderung pro Bohrloch in den USA in den letzten zehn Jahren zwar verdoppelt, aber die Tage des verrückten Wachstums seien nun vorbei. Die Produktionsrückgangskurven – oder die Geschwindigkeit, mit der die Produktion im Laufe der Zeit sinkt – sind seit 2010 jährlich um mehr als einen halben Prozentpunkt steiler geworden, so der Bericht. Enverus geht davon aus, dass sich dieser Trend noch beschleunigen wird.
EIA-Prognose: Produktion sinkt zweiten Monat in Folge
Erst zu Wochenbeginn hatte die Energy Information Administration (EIA) bereits zum zweiten Mal in Folge einen Rückgang der US-Schieferölproduktion prognostiziert. Demnach soll die Gesamtmenge von 9,434 Millionen Barrel pro Tag in diesem Monat auf 9,415 Millionen Barrel pro Tag im September sinken. Die Produktionsprognose basiert teilweise auf der Anzahl der Bohrtürme in verschiedenen Schiefergebieten.
Aufgrund dieses Ansatzes sind die von der EIA veröffentlichten Zahlen möglicherweise weniger bedeutend, als sich auf den ersten Blick vermuten lässt. Führungskräfte aus der Branche wiesen während der aktuellen Berichtssaison darauf hin, dass ihre Bohrlöcher mehr produzierten als erwartet. Dadurch würde die Relevanz der Anzahl der Bohrtürme für die Produktionszahlen erheblich verringert.
US-Schwäche würde globale Ölpreise weiter verteuern
Damit dürfte das Potenzial für ein umfangreicheres Produktionswachstum kurzfristig begrenzt sein. Eine geringere US-Produktion würde sich sicherlich auf die globalen Preise auswirken. Denn die Schieferölproduktion in den USA ist immerhin für den größten Teil des Wachstums des Ölangebots außerhalb der OPEC verantwortlich. Daher wirkt sich jede Bremse auf die Wachstumsrate der Schieferölproduktion auch auf das Gesamtwachstum der US-Rohölproduktion aus. Die Macht des größten OPEC-Gegenspielers droht mittelfristig zu schwinden. Für die Industrie, den Verkehrssektor und nicht zuletzt für Heizölkunden wäre das ein wenig ermutigendes Szenario.
Trotz dieser mittelfristig eher verhaltenen Aussichten, stellt sich die Lage an den Ölmärkten derzeit wieder etwas freundlicher dar. Nachdem die Preise für Rohöllieferungen in der Zukunft in der letzten Woche teilweise sogar auf neue Jahreshochs gestiegen waren, gehen die Notierungen seit Donnerstag wieder zurück. Verbraucherinnen und Verbraucher im Bundesgebiet müssen daher zur Wochenmitte im Schnitt etwa -0,75 bis -1,45 Euro pro 100 Liter weniger bezahlen als am Dienstagvormittag.