Die Preise für ein Barrel Rohöl (a 159 Liter) sind zuletzt nahezu unbeirrt Richtung 100-Dollar-Marke geklettert. Nach Einschätzung von Rohstoffexperten könnte nun aber eine Reihe von Faktoren einen nachhaltigen Anstieg über dieses Niveau verhindern.
Zahlreiche Faktoren könnten Ölpreise belasten
Dazu gehören ein prognostizierter Anstieg der Ölproduktion in Ländern, die nicht dem OPEC-Kartell angehören sowie der steigende Druck auf Russland, das Angebot zu erhöhen, um die Öleinnahmen zu steigern. Und über allem schwebt das Damoklesschwert, dass sich die Ölnachfrage verlangsamt, da sich angesichts der bereits hohen Zinssätze die wirtschaftliche Entwicklung in den großen westlichen Volkswirtschaften weiter abschwächt.
Analysten sehen Brentöl bei 100 Dollar
Zuvor hatte allerdings die Atlantiksorte Brent in der letzten Woche ein Jahreshoch von fast 96 Dollar pro Barrel erreicht, nachdem eine wachsende Zahl von Analysten prognostiziert hatte, dass Brent in diesem Jahr die Marke von 100 Dollar pro Barrel überschreiten wird. Als Begründung führten sie an, dass die Nachfrage steige, das Angebot begrenzt sei und die Vorräte an Kraftstoffen und Rohöl relativ niedrig seien.
US-Notenbankpräsident: Hohe Ölpreise bedeuten hohe Inflation
Im Zuge des Anstiegs der Rohölpreise kletterten die Spritpreise an den Tankstellen in den USA und in Europa auf ein Niveau, wie es zuletzt im November des vergangenen Jahres festgestellt wurde. „Wenn die Energiepreise steigen und hoch bleiben, wird sich das auf die Ausgaben auswirken, und es könnte sich auf die Inflationserwartungen der Verbraucher auswirken. Das sind einfach Tatsachen, die wir beobachten müssen“, mahnte der Vorsitzende der US-Notenbank Jerome Powell letzte Woche im Rahmen der Notenbanksitzung.
Nicht-OPEC+-Staaten weiten Ölförderung aus
In naher Zukunft könnte eine steigende Ölproduktion aus Ländern, die nicht Teil der OPEC+ sind, einen weiteren Anstieg der Rohölpreise verhindern. Die US-Investmentbank Goldman Sachs geht davon aus, dass das Nicht-OPEC+-Angebot bis zum nächsten Jahr um 1,1 Millionen Barrel pro Tag steigen wird, während die Internationale Energieagentur sogar ein Plus von 1,3 Millionen Barrel pro Tag prognostiziert.
Brasilien, Guyana und die Vereinigten Staaten gehören zu den Ländern, die ihre Produktion voraussichtlich erhöhen werden. Die Rückkehr zu Investitionen in die Offshore-Förderung und deren Wachstum machen eine langfristige Steigerung der Ölpreise ebenfalls weniger wahrscheinlich, so die Goldman-Analysten, und fügten hinzu: „Der größte Teil des Anstiegs liegt hinter uns“.
Russland in der Zwickmühle
Geopolitische Erwägungen könnten auch die Entscheidung darüber erschweren, wie lange die OPEC+ die freiwilligen Kürzungen aufrechterhalten kann. Die von der Organisation erdölexportierender Länder und ihren Verbündeten (OPEC+) vorgenommenen Angebotskürzungen, insbesondere die freiwillige Kürzung von Russland und Saudi-Arabien um zusammen 1,3 Millionen Barrel pro Tag bis Ende 2023, haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die Rohölpreise auf ein Zehn-Monats-Hoch gestiegen sind. Angesichts der Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf seine Finanzen könnte Russland nach Einschätzung von Analysten jedoch nicht in der Lage sein, seine Exporte über einen längeren Zeitraum zu drosseln.
Ölpreis: Balanceakt für die OPEC
Und schlussendlich wird sich Saudi-Arabien als Anführer der OPEC die Frage stellen müssen, ob die Ölpreise für die Mitgliedsländer durch die Kürzungen hoch genug sind, ohne dabei die Nachfrage zu zerstören und die Weltwirtschaft in eine Rezession zu stürzen. Dass diese Frage wieder in die politischen Überlegungen der Saudis einfließen wird, darüber sind sich Rohstoffexperten ziemlich sicher.
Bis es allerdings soweit ist, bestimmen die Angebotssorgen die aktuelle Preisentwicklung an den Rohölmärkten. Nachdem die Preise für die Sorten Brent und WTI sowie für Gasöl am späten Dienstagnachmittag noch deutlich von ihren Tagestiefstkursen zurückgekommen waren, macht sich diese Entwicklung heute im frühen Handel auch bei den Heizölpreisen bemerkbar. Verbraucherinnen und Verbraucher im Bundesgebiet müssen im Schnitt etwa +2,00 bis +2,80 Euro pro 100 Liter mehr bezahlen als noch am Dienstag.