Die börsengehandelten Rohölpreise haben gestern stark zugelegt und ziehen damit auch die Heizölpreise im Inland mit nach oben. Grund für den Preisanstieg sind neben den Spannungen im Nahen Osten auch Meldungen aus Libyen. Das ölreiche afrikanische Land versinkt im politischen Chaos und könnte nun seine kompletten Ölexporte stoppen.

 

Kleines Land mit riesigen Ölreserven versinkt im Chaos
Seit dem Sturz des autokratischen Staatsoberhauptes Muammar al-Gaddafi 2011 herrschte in Libyen jahrelanger Bürgerkrieg, durch den das Land in einen West- und einen Ostteil zerfiel. 2020 gelang ein fragiles Waffenstillstandsabkommen, die Zweiteilung des Landes besteht aber fort. So regiert in der Hauptstadt Tripolis die international anerkannte Einheitsregierung, während sich im Osten ein Gegenparlament gebildet hat. Beide Vertretungen wurden nicht offiziell gewählt, da die 2021 geplanten Parlamentswahlen nie stattfanden.

 

Streit um Suspendierung des Zentralbankchefs eskaliert
Der jüngste Streitpunkt zwischen den beiden Regierungen um die Führung der libyschen Notenbank, die Milliarden an Öleinnahmen verwaltet, eskalierte offenbar gestern. Schon vor über einer Woche hatte die Einheitsregierung in Tripolis den Gouverneur Sadiq Al-Kabir seines Amtes enthoben, allerdings hatte dieser sich geweigert, den Posten zu räumen. Gestern verschaffte sich die Regierung nun offenbar Zutritt zu den Verwaltungsräumen, worauf die Gegenregierung im Osten reagierte. Sie kündigte an, die komplette Ölproduktion des Landes sowie die gesamten Ausfuhren zu stoppen, was durchaus möglich wäre, da sich die meisten Ölanlagen im Osten des Landes befinden.

 

Eine Millionen Barrel Ölförderung – gleichzeitig viel und wenig
Libyen ist das mit Abstand ölreichste Land in Afrika, kann diesen Reichtum aufgrund der massiven und seit Jahren andauernden politischen Verwerfungen aber kaum für sich nutzen und fördert üblicherweise gerade einmal etwa 1 Millionen Barrel (à 156 Liter) pro Tag. Dabei ist das OPEC-Mitglied fast vollständig von den Einnahmen aus seinen Exporten abhängig. Und auch, wenn 1 Mio. Barrel nach wenig klingt und für Libyen wohl auch wenig ist, würde sich ein Wegfall dieser Mengen am Weltmarkt durchaus bemerkbar machen. Hier sind 1 Millionen Barrel, die schlagartig nicht mehr verfügbar sind, durchaus ein Problem. Dies ist auch der Grund, warum die Preise gestern in die Höhe schnellten.

 

Inlandspreise mit Aufschlägen
Es bleibt nun abzuwarten, wie ernst die libysche Gegenregierung es meint und ob tatsächlich ein Komplettausfall der libyschen Ölausfuhren zu erwarten ist. Bis dahin bleiben die Ölpreise erst einmal gestützt und mit ihnen auch die Heizölpreise im Bundesgebiet. Für 100 Liter müssen Verbraucherinnen und Verbraucher heute entsprechend etwa +0,75 bis +1,15 Euro mehr zahlen als noch am Montagvormittag.