Wer nach den heftigen Kursverlusten der letzten sechs Handelstage mit einer kräftigen Gegenbewegung an den Ölmärkten gerechnet hatte, der wurde gestern enttäuscht. Die Atlantiksorte Brent verlor weitere 25 Cents auf 74,05 Dollar, während die US-öl der Sorte West Texas Intermediate (WTI) um marginale vier Cents fiel und bei 69,34 Dollar aus dem Handel ging.

Seit der am Donnerstag vor einer Woche getroffenen Entscheidung Entscheidung der OPEC, die Fördermengen für Öl weiter zu kürzen, gaben die beiden Ölsorten damit um zeitweise mehr als 11 Prozent nach.

Saudi-Arabien und Russland rufen zur Einheit auf
Heute morgen begannen sich die Ölnotierungen im asiatischen Handel zu erholen, nachdem mit Saudi-Arabien und Russland die beiden größten Erdölexporteure der Welt alle OPEC+-Mitglieder zur Einheit aufgerufen hatten. Nach dem im Streit zu Ende gegangenen Treffen des Ölkartells in der letzten Woche sollen sich alle Mitglieder zum Wohle der Weltwirtschaft der Vereinbarung über Produktionskürzungen anschließen.

Ölproduktion sinkt deutlich weniger stark als erwartet
Um die Ziele der OPEC+ zu erreichen, wäre diese Einheit auch unbedingt nötig. Denn Kpler, das führende Analyse-Unternehmen von Rohstoffdaten, geht davon aus, dass trotz der Zusagen der OPEC+-Mitglieder die Gesamtproduktion der OPEC+-Länder von Dezember 2023 bis Januar 2024 nur um 350.000 Barrel pro Tag sinken wird.

Nachdem aktuell noch Förderkürzungen in Höhe von 1,3 Millionen Barrel pro Tag gelten, sollen ab Januar 2024 sogar 2,2 Millionen Barrel pro Tag weniger gefördert werden.

Aufgrund der Kürzungen: Saudi-Arabien bestätigt erstmals Wirtschaftsprobleme
Gestern räumte Saudi-Arabien zum ersten Mal ein, dass sich einige Projekte seines Plans „Vision 2030“ zur Diversifizierung der Wirtschaft weg vom Öl verzögern. Nach Einschätzung von Ökonomen spielen die Förderkürzungen der OPEC+, von denen das Emirat die Hauptlast trägt, dabei wohl eine wesentliche Rolle.

So war die Wirtschaft des Emirats im dritten Quartal um 4,5% im Vergleich zum Vorjahr geschrumpft, was vor allem auf eine geringere Ölproduktion zurückzuführen ist. Es war das erste negative Quartal seit Anfang 2021. gezogen haben.

Saudische Wirtschaft vor schwierigen Zeiten
Bereits zu Beginn dieses Jahres hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) erklärt, dass sich das Wachstum der saudi-arabischen Wirtschaft in diesem Jahr gegenüber dem Vorjahr (8,7%) aufgrund der eingeschränkten Ölförderung deutlich verlangsamen wird.

Aufgrund der freiwilligen Kürzungen der Ölproduktion wird laut Angaben des saudi-arabischen Finanzministeriums für das Geschäftsjahr 2023 nur noch ein reales BIP-Wachstum von gerade einmal 0,03% erwartet. In der Haushaltserklärung für 2024, die diese Woche veröffentlicht wurde, hieß es zudem, dass für das Haushaltsjahr 2024 ein Defizit von 1,9% des BIP erwartet werde.

Die drastischen Auswirkungen auf die Wirtschaft des weltgrößten Erdölexporteurs versuchte der saudische Finanzminister Mohammed Al Jadaan gestern in einem Interview abzumildern. Man brauche mehr Zeit, um „Fabriken zu bauen und auch genügend Personal aufzubauen“ und dass „die Verzögerung oder vielmehr die Verlängerung einiger Projekte der Wirtschaft dienen werde“, fügte der Minister hinzu.

Nach Aufruf zur Einheit: Analysten bleiben skeptisch
Ob der saudisch-russische Aufruf zur Einheit der OPEC+-Staaten bei der Einhaltung der Förderkürzungen der Beginn einer Trendwende an den Ölmärkten einleitet, werden die kommenden Handelstage zeigen. In ersten Reaktionen zeigen sich Analysten am frühen Freitagmorgen bislang allerdings überwiegend skeptisch.

Bei den Inlandspreisen zeigen sich heute im Vergleich zu Donnerstagmorgen nur leichte Preiskorrekturen. So ergeben sich heute bei den Preisen für 100 Liter Heizöl im Bundesgebiet, je nach Region, Veränderungen von etwa –0,25 bis +0,05 Euro gegenüber dem Vortag.