Die Internationale Energieagentur (IEA) teilte erst vor einigen Wochen mit, dass die weltweite Ölnachfrage im Juni mit 103 Millionen Barrel (a 159 Liter) pro Tag ein neues Allzeithoch erreichte. Die robuste Nachfrage wurde den Angaben der Agentur zufolge durch ein besser als erwartetes Wirtschaftswachstum in den OECD-Ländern, den steigenden Ölverbrauch in China und den starken Flugverkehr im Sommer angetrieben. Die IEA prognostizierte, dass das Kaufinteresse im August einen weiteren Höhepunkt markieren könnte.
Rohölnachfrage dürfte 2023 Rekordwert erreichen
Damit wäre der Bedarf an Rohöl weiterhin auf dem Weg, im Jahresdurchschnitt 102,2 Millionen Barrel zu erreichen – den höchsten Jahreswert aller Zeiten. Nun aber scheint es, dass die Zeiten endlosen Wachstums vorbei sind. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete jüngst in ihrem jährlich erscheinenden und viel beachteten „Electric Vehicle Outlook“, dass die weltweite Nachfrage nach Benzin und Diesel nur noch vier Jahre lang weiter zulegen wird, bevor sie nach einem finalen Allzeithoch im Jahr 2027 einen endgültigen Rückzug antritt.
Spritnachfrage in Europa und USA bereits auf dem Höhepunkt
Laut den Analysten von Bloomberg sind Elektrofahrzeuge, eine immer bessere Kraftstoffeffizienz und das Car-Sharing der größte Feind des Ölsektors. Der Studie zufolge werden durch Elektrofahrzeuge bis 2040 voraussichtlich 20 Millionen Barrel pro Tag weniger Rohöl nachgefragt werden, gegenüber derzeit 2 Millionen Barrel pro Tag. Für den Straßenverkehr in den USA und Europa schätzen die Analysten, dass die Nachfrage nach Benzin und Diesel bereits ihren Höhepunkt erreicht hat, während der Boom in China 2024 seinen Spitzenwert erreichen wird. Die Nachfrage in anderen großen Verbraucherländern wie Indien wird in den 2030er Jahren ins Rutschen geraten.
Antriebswende nimmt Fahrt auf
Logischerweise nehmen Öl-Investoren diese Entwicklungen mit einer gewissen Besorgnis wahr. Denn der Transportsektor ist für fast 60 Prozent des weltweiten Ölbedarfs verantwortlich, wobei Pkw und Lkw den Löwenanteil verschlingen. Die Verkäufe von Elektrofahrzeugen steigen dank einer Kombination aus neuen attraktiven Modellen der Automobilhersteller, Verbesserungen in der Batterietechnologie, politischer Einflussnahme und dem massiven Ausbau der Ladeinfrastruktur. Die Elektrifizierung breitet sich zudem auf neue Segmente des Straßenverkehrs aus.
Pkw in den USA bis 2030 mehrheitlich Elektrofahrzeuge
Bloomberg schätzt in seiner Studie, dass Elektrofahrzeuge derzeit täglich 1,5 Millionen Barrel Öl ersetzen, was 3 Prozent des gesamten Kraftstoffbedarfs im Straßenverkehr entspricht. Doch die Prognosen zum Wachstumskurs von Elektrofahrzeugen sind so zahlreich, dass Schätzungen bezüglich deren Auswirkungen auf die künftige Ölnachfrage schwierig erscheinen. Laut den Analysten werden bis 2030 etwas mehr als die Hälfte der in den USA verkauften Pkw Elektrofahrzeuge sein.
Stark abweichende Prognosen
Die Prognosen für den Anteil von Elektrofahrzeugen am gesamten Pkw-Absatz bis 2030 reichen vom unteren Ende bei 11 Prozent bis zum oberen Ende bei 63 Prozent. Die Schätzungen für 2050 gehen von 31 Prozent bis nahezu 100 Prozent. Das untere Ende dieser Prognosen deutet auf eine minimale bis allmähliche Verschiebung der Ölnachfrage hin, während das obere Ende auf einen ziemlich massiven Einbruch der Ölnachfrage schließen lässt.
Für eine Welt, in der CO-Emissionen weiter beschränkt werden, erwarten die Analysten, dass die Nachfrage nach Benzin von heute etwa 25 Millionen Barrel pro Tag auf 3 bis 6 Millionen Barrel pro Tag im Jahr 2050 sinken wird. Die meisten anderen Prognosen gehen jedoch von einer Benzinnachfrage in einer Größenordnung von 10 bis 20 Millionen Barrel pro Tag aus.
Bis sich die abnehmende Nachfrage nach Benzin signifikant auf die Nachfragesituation an den Ölmärkten auswirkt, werden also noch einige Jahre vergehen. Solange bestimmt vor allem das Angebot an Rohöl die Preise, die sich auch heute im frühen Handel wieder verteuern. Verbraucherinnen und Verbraucher im Bundesgebiet müssen heute im Schnitt etwa +0,75 bis +1,55 Euro pro 100 Liter mehr bezahlen als noch am Donnerstag.